Ungleichheiten in Ost- und Westdeutschland – Persistenz oder Wandel?

Gemeinsame Tagung der Sektion „Soziale Ungleichheit und Sozialstrukturanalyse“ und des Sonderforschungsbereichs Transregio 294 „Strukturwandel des Eigentums“

25. – 26. September 2023
 Friedrich-Schiller-Universität Jena

Wie haben sich soziale Ungleichheiten in Ost- und Westdeutschland nach über 30 Jahren der Wiedervereinigung entwickelt? Trotz zahlreicher soziologischer Untersuchungen fallen Antworten auf diese Frage sehr unterschiedlich aus. So deuten einige empirische Befunde auf eine Angleichung zwischen Ost und West hin: Beispielsweise haben sich Arbeitsmarktun-gleichheiten im Hinblick auf Arbeitslosigkeit oder die Erwerbsquoten von Frauen und Männern zwischen Ost und West angenähert. Auch sind Armutsquoten in beiden Teilen Deutschlands inzwischen ähnlich hoch.

Die Mehrzahl der Befunde zeugt jedoch von einer Persistenz ungleicher Lebenschancen zwischen Ost- und Westdeutschland. So erzielen Beschäftigte in Ostdeutschland weiterhin geringere Löhne und sind häufiger von prekären Arbeitsbedingungen betroffen als in Westdeutschland. Auch in Bezug auf Privateigentum sind die Unterschiede zwischen Ost- und Westdeutschland nach wie vor eklatant, da Ostdeutsche sehr viel weniger Vermögen und insbesondere weniger Wohneigentum besitzen. Hinzu kommt, dass Elitepositionen in Politik, Wirtschaft oder Wissenschaft bis heute noch kaum von ostdeutschen Personen besetzt werden. Auch die Geschlechterverhältnisse unterscheiden sich weiterhin deutlich, jedoch in umgekehrter Richtung. So schreibt sich der Modernisierungsvorsprung der in der DDR sozialisierten Frauen fort und resultiert in einem geringeren Gender Pay Gap, Gender Pension Gap und Gender Wealth Gap in Ostdeutschland. Obwohl Frauen in beiden Teilen Deutschlands den größten Teil der unbezahlten Fürsorge- und Hausarbeit leisten, ist der Gender Care Gap in Ostdeutschland ebenfalls geringer als in Westdeutschland. Schließlich zeigen sich weiterhin deutliche Unterschiede zwischen Ost- und Westdeutschland bei Norm- und Wertvorstellungen, sei es in Bezug auf Ungleichheits- und Gerechtigkeitsvorstellungen, Geschlechterkonstruktionen, Einstellungen zu Mutterschaft und Kinderbetreuung, politische Einstellungen, Wahlverhalten oder gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit.

Hinzu kommen allerdings neue Formen von Ungleichheiten, die sich innerhalb von Ost- und Westdeutschland in unterschiedlichem Maße ausgebildet haben und dadurch die Grenzen zwischen Ost- und Westdeutschland möglicherweise verwischen. So haben sich im Verlauf der letzten Jahrzehnte die ungleichen Lebensbedingungen zwischen städtischen und ländlichen Lebensräumen im Zuge des demografischen Wandels in Ostdeutschland deutlich stärker auseinanderentwickelt als dies in Westdeutschland der Fall ist. Ähnliches gilt für die Armutssegregation in Städten, die inzwischen ebenfalls im Osten sehr viel größer ist als im Westen. Darüber hinaus zeigen sich im Osten neue Ungleichheiten im Bildungsbereich, z.B. hinsichtlich des Anteils von Jugendlichen, die die Schule ohne Abschluss verlassen oder mit Blick auf Chancenungleichheiten zwischen Schüler:innen auf privaten und öffentlichen Schulen. Offen ist zudem, inwiefern aktuelle Entwicklungen, wie z.B. die Corona-Pandemie, die Care-Krise oder die Digitalisierung von Arbeit die Ungleichheiten zwischen Ost und West verändern.

Angesichts dieser komplexen Gemengelage möchten wir die Frage nach Stand, Entwicklung und Ursachen von Ungleichheiten in Ost- und Westdeutschland auf der Tagung neu aufwerfen. Unser Ziel ist es, empirische Befunde aus qualitativen, quantitativen oder Mixed-Methods-Studien zusammenzubringen, die den Wandel, die Persistenz oder die Neuentstehung von Ungleichheit in Ost- und Westdeutschland näher beleuchten. Erwünscht sind zudem Beiträge, die Eigentumsungleichheiten zwischen Ost und West fokussieren und theoretisieren, da Eigentum und Vermögen lange vernachlässigte Dimensionen der Sozialstruktur darstellen. Daneben laden wir auch theoretische Beiträge ein, die Ungleichheiten zwischen Ost- und Westdeutschland konzeptualisieren.

Call for Paper „Ungleichheiten in Ost- und Westdeutschland“ zum Download

Ihre Beitragsvorschläge schicken Sie bitte in Form eines Abstracts von max. 500 Worten als PDF-Datei an herbsttagung@soziale-ungleichheit.de. Das Abstract kann in deutscher oder englischer Sprache verfasst sein. Die Einreichungsfrist ist der 20. Mai 2023. Die Benachrichtigung über die Vortragsauswahl wird bis spätestens Ende Juni 2023 erfolgen.

Die Sektion „Soziale Ungleichheit und Sozialstrukturanalyse“ möchte Nachwuchswissen-
schaftler:innen explizit auf die Möglichkeit hinweisen, bei Vortragsannahme einen Reisekos-

tenzuschuss bis zu 400 Euro für Anreise und Übernachtung beantragen zu können, sollte keine
andere Finanzierung möglich sein (siehe Informationen zur Nachwuchsförderung).

Die Organisator:innen: Agnieszka Althaber (SFB 294, Universität Jena), Johannes Giesecke (Sektion Soziale Ungleichheit und Humboldt Universität zu Berlin), Kathrin Leuze (Sektion Soziale Ungleichheit und SFB 294, Universität Jena), Robin K. Saalfeld (SFB 294, Universität Jena) und Sylka Scholz (SFB 294, Universität Jena)

Die Tagung findet in den Rosensälen der Friedrich-Schiller Universität Jena statt (Fürstengraben 27, 07743 Jena).

Wir haben in zwei Hotels Zimmerkontingente reserviert. Beide Hotels befinden sich in unmittelbarer Nähe zum Tagungsort.

Hotel ibis Jena City (Kontingent: 25 Zimmer)

Teichgraben 1; 07743 Jena
Tel. +49(0)3641 813-0
Website
85,00 € pro Übernachtung inkl. Frühstück
Bis einschließlich 25.08.2023 können von den Teilnehmenden unter dem Stichwort „DGS Herbsttagung“ Zimmer aus dem oben aufgeführten Kontingent abgerufen werden.

Hotel und Gaststätte „Zur Noll“ GmbH (Kontingent: 15 Zimmer)

Oberlauengasse 19; 07743 Jena
Tel. 03641-59770
Website
70,00 € pro Nacht/Frühstück zzgl. 9,00 €/Person
Bis einschließlich 15.08.2023 können von den Teilnehmenden unter dem Stichwort „DGS Herbsttagung“ Zimmer aus dem oben aufgeführten Kontingent abgerufen werden.